Nanoplastik aus London, Paris und München wurde hoch oben in den abgelegenen österreichischen Alpen gefunden. Sie schweben in der Luft – und wir atmen sie ein.
Einigen Schätzungen zufolge haben die Menschen 4.900 Millionen Tonnen Plastik in die Umwelt entsorgt. In der Natur beginnt sich dieses Plastik zu zersetzen und zerfällt in Mikroplastik von der Größe eines Sesamkorns. Dieses wird von Menschen und Tieren versehentlich aufgenommen, nachdem es in Meeresfrüchten gegessen und in Wasser getrunken wird. Einige Berichte deuten darauf hin, dass wir alle fünf Gramm pro Woche zu uns nehmen – etwa das Gewicht eines Flaschenverschlusses.
Wie steht’s mit Nanoplastik?
Aber wir nehmen möglicherweise mehr Kunststoffe über unsere Atemwege in unseren Körper auf. Weniger untersucht wurde nämlich Nanoplastik: Partikel, die kleiner sind als Mikroplastik − so klein, dass sie große Entfernungen in der Luft zurücklegen und leichter in den Blutkreislauf eingeatmet werden können. Eine neue Studie untersucht die Reise dieser leichteren Partikel. Man findet sie reichlich in der Atmosphäre und durch Aerosolübertragung werden sie sogar in abgelegene Gebiete getragen. Soweit die Wissenschaftler wissen, ist es „die genaueste Aufzeichnung der Luftverschmutzung durch Nanoplastik, die jemals gemacht wurde“.
Diese Nanokunststoffe – kleiner als 200 Nanometer – sind Mikrokunststoffe, die sich im Laufe der Zeit noch weiter zersetzt haben, sowie winzige Partikel, die unsere alltäglichen Kunststoffe, wie Kleidung, in die Atmosphäre abgeben. Bei dieser mikroskopischen Größe werden die Kunststoffe in die Luft getragen. „Sie sind so klein, dass sie wie normale Aerosole in der Luft transportiert werden können“, sagt Dominik Brunner, Experte für atmosphärische Transportmodellierung und Forscher an der Empa, der Schweizer Materialprüfungs- und Forschungsanstalt.
Messung der Nanoplastikpartikel-Konzentration
Das Team von der Universität Utrecht in den Niederlanden, das Brunner bei der Transportmodellierung unterstützte, entwarf eine Technik zur Messung der Konzentration von Nanoplastikpartikeln in einer Materialprobe – in diesem Fall einem Schneeklumpen. Die Materialprobe ist oft eine Mischung aus vielen: von Saharasand bis hin zu abgestoßenen Bremsbelägen ist alles enthalten.
Sie wählten einen abgelegenen Ort in den hohen österreichischen Alpen und nutzten dann ihre Technik, um die dort gefundenen Nanokunststoffe zu finden und zu analysieren. Unbestritten war, dass dieses Plastik in städtischen Gebieten vorhanden ist. Die Frage, die es zu beantworten galt war, wie weit dieses „reisen“ könnte. Ihre Basis befand sich auf dem Hohen Sonnblick im Nationalpark Hohe Tauern. Dort gibt es ein Meteorologie- und Geodynamik-Observatorium in 3.106 Metern Höhe. Anderthalb Monate lang nahmen sie jeden Tag ein Stück Schnee und analysierten dessen Massenspektrometrie, indem sie das gesammelte Material im Wesentlichen thermisch freisetzten und dann mit einer Maschine die Moleküle der Probe maßen. Sobald sie identifiziert waren, glichen sie diese mit bekannten Arten von Kunststoffen wie Polyethylenen und Polypropylenen ab.
Wie weit „reisen“ diese Nanoplastikpartikel?
Im Anschluss daran verfolgten sie mithilfe einer weit verbreiteten Partikeldispersionstechnik und europäischer Wetterdienstmodelle zurück, wo diese Partikel entstanden, indem sie einzelne Luftpakete in der Zeit zurückverfolgten. Sie fanden heraus, dass die Plastikpartikel hauptsächlich aus dicht besiedelten städtischen Gebieten stammten. Zu 30 % kamen sie aus Gebieten, die mehr als 150 Kilometer entfernt liegen, darunter Großstädte wie London, Paris, Amsterdam, Frankfurt, Stuttgart und München.
Die städtischen Quellen überraschten die Wissenschaftler nicht, wohl aber die zurückgelegten Entfernungen. „Weil sie so klein sind, werden sie vom Wind über weite Strecken transportiert“, sagt Brunner. Einige legten sogar noch größere Entfernungen zurück: 10 % kamen aus mehr als 1.500 Kilometer Entfernung, darunter einige aus dem Atlantischen Ozean. Das deutet darauf hin, dass einige der leichteren Kunststoffe, die sich an der Meeresoberfläche angesammelt haben, in die Atmosphäre zurückkehren können.
Das bedeutet auch, dass wir alle Nanoplastik aus der Luft um uns herum einatmen. Je kleiner die Partikel, desto größer die Gefahr des Einatmens. Die Wissenschaftler urteilen, dass diejenigen mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer (0,000001 Meter) „tief in die Lunge eindringen“ können, im Vergleich zu den größeren, mehr als 10 Mikrometern großen, die „wahrscheinlich von den oberen Atemwegen herausgefiltert werden“.
Während Nanoplastik für den Körper wahrscheinlich nicht giftiger ist als Mikroplastik, ist es die Größe der Moleküle, die Anlass zur Sorge gibt. Ebenso die Tatsache, dass sie auch in entlegenen Gebieten in großen Mengen vorhanden sind: Die Menge an Nanoplastik, die sich auf der Oberfläche von einem Quadratmeter Schnee hoch in den Alpen pro Woche ablagert, war 2,8-mal mehr als Ablagerungen von Mikroplastik, die in einer Studie aus dem Jahr 2019 in den französischen Pyrenäen gefunden wurden.
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